Schwangerschaft mit angeborenem Herzfehler: Wenn das Herz für zwei schlagen soll

Eine Schwangerschaft ist für den weiblichen Körper eine große Leistung – vergleichbar mit einer sportlichen Betätigung. Nach und nach stellt sich der Organismus während der durchschnittlich 38 Wochen auf die Geburt ein. Der große Unterschied: Im Gegensatz zum Leistungssport kann der Körper während der Schwangerschaft keine Erholungspausen einlegen. Im Normalfall verläuft dieser Hochleistungsmarathon, neben ein paar völlig normalen Beschwerden wie Übelkeit oder im späteren Verlauf auch Kurzatmigkeit, absolut reibungslos. Frauen mit angeborenen Herzfehlern hingegen müssen sich von Beginn an mit den Risiken der zusätzlichen Belastung auseinandersetzen. Immer wieder wurde Frauen mit angeborenen Herzfehlern deshalb in der Vergangenheit von einer Schwangerschaft abgeraten. Jetzt hat eine große deutsche Analyse ergeben: Die meisten dieser Frauen können ohne größere Risiken schwanger werden, wenn sie gründlich medizinisch beraten und versorgt werden.

Insgesamt machen angeborene Herzfehler heute die Mehrzahl der Herzerkrankungen bei Schwangeren aus. Von geschätzt ca. 780.000 Geburten im Jahr sind insgesamt 78.000 Frauen von kardiovaskulären Erkrankungen betroffen. Am häufigsten kommen dabei Kammer- und Vorhofseptumdefekte vor – eine Fehlbildung des Herzens, bei der die Herzscheidewand nicht vollständig verschlossen ist.

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Andrey Popov/stock.adobe.com

Was bedeutet eine Schwangerschaft für das Herz-Kreislauf-System?

Die großen körperlichen Veränderungen, die mit einer Schwangerschaft einhergehen, betreffen vor allem auch das Herz-Kreislauf-System. Der mütterliche Kreislauf beginnt sich schon unmittelbar nach der Empfängnis umzustellen. Gesteuert von vielen Hormonen stellen diese Veränderungen den Körper auf die Schwangerschaft ein.

Zu den Veränderungen gehört auch, dass die Blutmenge im Organismus zunimmt. Ab der 30. Schwangerschaftswoche bis zur Geburt erreicht das Blutvolumen seinen Höchstpunkt: Eine schwangere Frau hat in dieser Zeitspanne etwa 50 Prozent, also ein bis zwei Liter mehr Blut in ihrem Körper. Diese große Menge muss das Herz- Kreislauf-System kontinuierlich transportieren. Das Herz schlägt deshalb schneller und bewegt pro Schlag mehr Blut. Das Herz-Minuten-Volumen, also die Blutmenge, die das Herz pro Minute pumpt, beträgt bei einem gesunden erwachsenen Menschen in Ruhe etwa 4,5 bis 5 Liter pro Minute. Das Herz einer Schwangeren transportiert hingegen ganze 7,3 Liter Blut pro Minute – sobald die Wehen einsetzen, erhöht sich das Herzzeitvolumen sogar noch einmal deutlich auf bis zu 30 bis 60 Prozent über der Norm. Zudem steigt bei einer Schwangerschaft auch das Atem-Minuten-Volumen, also die Menge an Atemluft, die pro Minute ein- und ausgeatmet wird. Während der Schwangerschaft verändert sich auch die Blutgerinnung: Die Konzentration der Gerinnungsfaktoren ist deutlich erhöht und Blutplättchen verklumpen schneller. Außerdem ist die Aktivität des sogenannten fibrinolytischen Systems, das natürlicherweise Blutgerinnsel (Thrombosen) auflöst, niedriger: Schwangere neigen deshalb deutlich schneller zu Thrombosen.

Während einer unkomplizierten Geburt geht durchschnittlich ein halber, bei einem Kaiserschnitt sogar ein ganzer Liter Blut verloren. Das Herz muss sich also an das veränderte Blutvolumen anpassen. Etwa eine Stunde nach der Entbindung sinken die Herzfrequenz und das Herz-Minuten-Volumen wieder ab. Ihre Ausgangswerte erreichen sie aber erst nach mehreren Wochen oder sogar Monaten wieder.

Welche Risiken gibt es für Herzpatientinnen?

Die häufigsten Komplikationen in der Schwangerschaft bei Frauen mit Herzerkrankungen sind Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen. Hinzu kommt das ohnehin erhöhte Thromboserisiko während einer Schwangerschaft: Eine Thrombose kann bei einem angeborenen Herzfehler zu besonders schweren Komplikationen führen.

In einer ausführlichen Studie stellten Mediziner*innen zudem weitere erhöhte Risiken einer Schwangerschaft bei Frauen mit Herzfehlern fest: Dazu gehören Schlaganfälle und Herzinsuffizienz, während oder unmittelbar nach der Schwangerschaft, sowie deutlich mehr Kaiserschnitte. Darüber hinaus kam es häufiger zu Totgeburten als bei gesunden Frauen. Auch die ersten Lebensmonate sind für Neugeborene von herzkranken Müttern besonders kritisch: Neben einem zu niedrigen Geburtsgewicht oder den Folgen einer Frühgeburt, kann es zu Langzeitfolgen wie schweren Anomalien (Herzfehlbildung), einem Down-Syndrom (Trisomie 21) oder anderen genetischen Erkrankungen kommen.

Besonders risikoreich sind die ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft, die Zeiten der maximalen Volumenbelastung, also etwa ab der 32. Schwangerschaftswoche, und der Zeitpunkt der Geburt: In dieser Zeit kommt es zu ausgeprägten Volumenverschiebungen des Blutes im Körper, beispielsweise aus den Beinen oder aus den Gefäßen des Uterus , die in den Blutkreislauf freigesetzt werden. Zudem kommt es zu einem weiteren Anstieg des Herz-Minuten-Volumen und der Herzfrequenz sowie zu besonders hohem Blutdruck.

Wie werden die Risiken eingestuft?

Grundsätzlich gilt: Die meisten Frauen mit einem angeborenen Herzfehler müssen sich auf eine Risikoschwangerschaft einstellen. Die Voraussetzung, um die Risiken verringern, ist eine intensive und individuelle Betreuung und Überwachung. Je besser der gesundheitliche Zustand der Patientin vor der Schwangerschaft, desto besser der Verlauf. Im besten Fall wird eine Risikoschwangerschaft allerdings durchgehend sowohl von einem/einer Kardiolog*in als auch einem/einer Gynäkolog*in begleitet. Deshalb ist es wichtig, dass Patientinnen mit einem angeborenen Herzfehler ihren Kinderwunsch rechtzeitig mit einem Schwangerschafts- Herz-Team besprechen.  Denn allein die richtige Risikoeinstufung und entsprechende ärztliche Begleitung kann das Komplikationsrisiko um 50% senken.

In einem ersten Gespräch können die Risiken und die Art der Betreuung anhand der neuen Leitlinie für kardiovaskuläre Erkrankungen in der Schwangerschaft eingestuft werden. Dazu gehört unter anderem die Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation – die sogenannte WHO-Klassifikation. Diese Risikoeinstufung dient vor allem zur ersten Orientierung für Ärzte und Schwangere. Besonders häufige angeborene Herzfehler, wie einem Kammer- oder Vorhofseptumdefekt – einer Fehlbildung des Herzens, bei der die Herzscheidewand nicht vollständig verschlossen ist – gehören nach erfolgreicher Operation beispielsweise zur Risikoklasse 1. Zu den Herzfehlern der Risikoklasse 4 gehören unter anderem starke Verengungen der Aorta, schwere Fehlfunktionen der Systemherzkammer oder auch Lungenhochdruck. Grundsätzlich besagt die Leitlinie ganz klar, dass Patientinnen mit Herzfehlern eine solche Einstufung unbedingt schon vor einer möglichen Schwangerschaft durchführen lassen sollten. Der Grund: 53 % der erkrankten Frauen entscheiden sich gegen eine frühzeitige WHO-Klassifizierung und verdoppeln so das Risiko für Komplikationen. Dank der Leitlinie kann die Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft also ganz bewusst getroffen werden – in Anbetracht aller Risiken für Mutter und Kind.

Welchen Einfluss hat ein Herzfehler auf das Kind?

Zur Beratung vor der Schwangerschaft zählt auch, über das genetische Risiko zu sprechen. Angeborene Herzfehler sind die häufigste angeborene Fehlbildung: rund ein Prozent aller lebend geborenen Kinder sind davon betroffen. Haben die Eltern einen angeborenen Herzfehler, ist das Risiko umso höher, dass auch das Kind einen angeborenen Herzfehler haben wird. Wie hoch das Risiko tatsächlich ist, hängt von der Art des Herzfehlers ab und, ob beide oder nur ein Elternteil betroffen sind. Ist die Mutter vom Herzfehler betroffen, ist das Wiederholungsrisiko jedoch grundsätzlich höher. Besteht bei der Mutter beispielsweise eine angeborene Verengung der Aortenklappe, eine sogenannte Aortenklappenstenose, liegt das Vererbungsrisiko bei etwa 18 Prozent.

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